Schleusen öffnen: Kapitel 19
An diesem Abend erhielt Victor dann auch noch von seiner Mutter eine kurze Standpauke. Sein Wegbleiben vom allabendlichen Familienessen war von ihr natürlich nicht unentdeckt geblieben, und natürlich konnte sie es auch nicht gutheißen, dass er sich wiederholt über die Wünsche seines Vaters hinweggesetzt hatte.
Dass die Standpauke nur kurz und nicht zu streng ausgefallen war, hatte Victor nicht nur ihrer Gutmütigkeit zu verdanken: Barbara Schindler war mal wieder etwas in Eile, hatte noch einen auswärtigen Termin. Welcher Art dieser war, wollte sie ihm nicht erzählen, was an sich nichts Ungewöhnliches war. Ungewöhnlich hingegen war ihr besorgter Gesichtsausdruck, als sie sich verabschiedete.
Dass er auf seinem Zimmer bleiben solle, hatte sie zum Abschied noch gesagt. Dass er auf seinem Zimmer bleiben solle, sagte auch Maria, als sie eine Weile später mit Broten und Milch zu ihm kam. »Dein Vater hat mal wieder Besuch vom alten Schleicher.«
»Der ist schon wieder da?« fragte Victor überrascht und entsetzt zugleich.
»Scheint ihm hier zu gefallen«, sagte Maria leichthin. »Oder vielleicht kriegt er nirgendwo so einen guten Absinth.« Aber dann fügte sie noch ernst hinzu. »Wäre nicht gut, wenn dein Vater jetzt auch noch das Gefühl hätte, du schleichst durchs Haus, während er diesen seltsamen Gast empfängt. Also bleib besser hier. Ich muss jetzt auch los.« Und damit verabschiedete sie sich.
Kaum dass Maria gegangen war, holte Victor sein Walkie Talkie hervor und hörte, wie Arthur seinen Vater belobigte für seine erfolgreiche Arbeit. Der Empfang war diesmal auch nicht optimal, aber immerhin war mehr zu verstehen als beim letzten Mal.
»Ich bin begeistert!« sagte Arthur gerade. »…hoffen gewagt, dass Sie es hinkriegen.«
»Ich hätte den Auftrag nie angenommen, wenn ich … gewesen wäre, dass es machbar …«
»… in Serienproduktion gehen. Sie wissen, wir brauchen die Uniformen bereits Ende …«
»Grundsätzlich kein Problem … eine Kleinigkeit.«
Es gab eine Pause. Victor fasste sich einigermaßen entsetzt an den Mund. Serienproduktion von Uniformen? Sollte Ralph recht gehabt haben und sein Vater verhandelte tatsächlich mit dem Militär? Aber nein, Ralph hatte auch gesagt, dass Arthur kein Vertreter des Militärs war und dass sein Vater vielleicht nur dachte, er hätte es mit einem solchen zu tun…
»Die Kosten. Meine Bank … eine weitere Rate …« Hannes Schindler klang jetzt wieder so seltsam unterwürfig.
Wieder gab es eine Pause.
»Ich werde mit meinen Auftraggebern sprechen. Vielleicht … rausschlagen. An wie viel hatten …?«
»Die Hälfte der noch ausstehenden …« Hannes Schindler versuchte, selbstbewusst zu klingen, doch Victor fand, dass ihm das nicht gelang.
Arthur gefiel das auch gar nicht. »Gleich die Hälfte? Vergessen Sie’s!« schimpfte er. Und dann sagte er noch etwas, das Victor gar nicht verstand.
Aus dem Weiteren ging hervor, dass die beiden sich auf ein Drittel der Summe einigten, die Hannes eigentlich erst nach der Erfüllung ihres Vertrages, also nach der Übergabe der fertigen Uniformen erhalten sollte.
Der Lauscher an der Wand hört seine eigene Schand, lautet ein altes deutsches Sprichwort. Uneingeschränkt konnte man es auch übertragen auf moderne Zeiten und die Nutzung von technischen Abhörhilfen. Victor wollte schon sein Walkie Talkie wieder ausschalten, da hörte er etwas, das ihm fast den Atem raubte: Sein Vater wollte offensichtlich etwas in seinem Safe deponieren und hatte dann einen missmutigen Laut von sich gegeben.
»Was ist?« fragte Arthur.
»Ich weiß nicht«, sagte sein Vater. »Ich glaube, hier war …«
»Jemand hat sich Zugang zu Ihrem Safe …?« Nun klang auch Arthur entsetzt.
»Ich bin nicht sicher«, sagte sein Vater.
»… können Sie nicht sicher …?« Es klang mehr wie ein Grollen denn ein Sprechen.
»Das Schloss«, sagte sein Vater fast tonlos. »Die Zahlen … anders als …« Und dann sagte er etwas, das Victor zutiefst entsetzte. »Victor. Mein Sohn. Er war muss es … Er war hier dran.«
»Ihr Sohn hat Zugang … Sind Sie völlig wahn…?« Kein Grollen mehr. Ein erzürntes Toben.
»… kann nicht sein! Er kann nichts wissen von unse…«
»Was war drin? Was kann er …? Haben Sie … hier gelagert?«
Eine Pause. Schließlich: »Nichts, womit er was anfangen … Daten, nichts Fertiges …«
»Daten über das Metamaterial???«
»Nichts Fertiges«, wiederholte sein Vater wieder. »Er kann es nicht …«
»Aber wenn es in die Hände … jemandem, der davon was versteht?«
»Wem sollte er … Er kennt doch niemanden …«
Es entstand wieder eine Pause. Doch was Arthur dann sagte, ließ Victor das Blut in den Adern gefrieren. »Kümmern Sie sich darum! Sonst werde ich mich … Sache annehmen! … wir uns verstanden?«
Sehr wohl hatte Victor noch gehört, wie sein Vater ihn verteidigt hatte, wie er gefleht hatte, seinen Sohn in Ruhe zu lassen, dass er sich natürlich darum kümmern würde, dass es doch gar nicht wirklich sein konnte, dass er sich wahrscheinlich getäuscht hatte – aber übrig blieb für Victor, dass sein Einbruch in den Safe entdeckt worden und er nun in Gefahr war.
Ralph hatte in allem recht gehabt: Arthur war ein zutiefst böser Mann, und sein Vater machte mit einem solchen schlechten Menschen Geschäfte.
Autorin: Britta Kretschmer, www.mehr-welten.de
OUPS! Schon wieder so ein böser Cliffhanger… Was machen wir denn jetzt? Da bin ich mal nicht so: Nur 10 Stimmen mehr als beim letzten Mal, und schon geht es hier weiter! :-)
160 Stimmen sind diesmal für mehr Kapitel nötig.
Und wie immer heißt es: Kräftiges Weiterempfehlen hilft bestimmt!
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